3 Glaubenssätze über Coworking auf dem Land, von denen wir uns 2023 verabschieden

3 Glaubenssätze über Coworking auf dem Land, von denen wir uns 2023 verabschieden

23. Dezember 2022 0 Von Katja

Coworking funktioniert in der Großstadt, aber nicht auf dem Land. 

Stimmt nicht. Coworking auf dem Land funktioniert mitunter anders als in der Großstadt. Das fängt mit dem Kreis der Nutzer*innen an. Wir haben festgestellt, dass das Publikum in Spaces auf dem Land tendenziell heterogener ist. Hier sitzen neben den „üblichen Verdächtigen” (Selbstständige, Entwickler*innen, Grafikdesigner*innen…) auch Lehrer*innen, Handwerker*innen und Politiker*innen. Insgesamt ist das Publikum seit der Pandemie und dem Durchbruch von Remote Work in Coworking Spaces überall bunter geworden.

Auf dem Land haben Coworking Spaces zudem andere Funktionen inne. Sie sind Orte der Begegnung und nicht selten Ausgangspunkt für den (Wieder)Aufbau von Strukturen der Daseinsvorsorge. 

In einem Punkt sind Spaces in Metropolen und auf dem Land auf jeden Fall gleich: Ihr Erfolg steht und fällt zu einem großen Teil mit dem Engagement, der Offenheit und dem langen Atem der Gründer*innen. 

Aber Menschen, die im Krankenhaus arbeiten, oder am Fließband in der Fabrik, können ja nicht im Coworking Space arbeiten… 

Und deshalb wollen wir es auch denen verwehren, die räumlich flexibel arbeiten können? Also lieber alles für alle schlecht lassen als Verbesserungen dort herbeiführen, wo sie gerade schon möglich sind? – Lasst uns mal wegkommen von der Annahme, dass “Gleichmacherei” das Beste für die Menschen im Arbeitskontext ist. Tätigkeiten, Lebensphasen und Bedürfnisse sind immer in Bewegung und nicht alles, was für Person A im Unternehmen jetzt gerade gut ist, passt jetzt gerade auch für alle anderen Kolleg*innen. Wenn Person A sich gerade um Angehörige kümmern muss und weniger Stunden arbeitet, kann es für Person B trotzdem völlig ok sein, doppelt so viel zu arbeiten, weil sie gerade niemanden zu versorgen hat und Lust, sich ganz ihrer beruflichen Entwicklung zu widmen. 

Das Gleiche gilt für die jeweiligen Arbeitsorte: Nicht jede*r kann oder möchte zu jedem Zeitpunkt seines Lebens zu Hause arbeiten oder im Coworking Space. Aber wer kann und möchte, sollte auch die Chance dazu bekommen. Am Ende geht es immer um Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf das eigene (Arbeits)Leben. Mal abgesehen davon, gibt es gerade bei den Fabrik-Tätigkeiten mittlerweile Technologien, die es ermöglichen, das Gabelstaplerfahrer*innen oder Qualitätskontrolleur*innen durchaus im Home Office arbeiten können. Oft scheitert es eher am Willen auf Unternehmensseite als an den grundsätzlichen Möglichkeiten. 

Mit ihren Coworking Spaces wollen die Städter auf dem Land das große Geld verdienen. 

Dieses Vorurteil amüsiert mich immer wieder aufs Neue. Denn einen Coworking Sapce zu gründen ist alles andere als ein Spaziergang, bei dem man sich links und rechts die Geldscheine von den Bäumen pflückt. Es gibt nur wenige inhabergeführte Spaces, die den Gründer*innen ein solides Einkommen beschweren; viele arbeiten nebenbei noch in anderen Projekten oder Freelance-Jobs. Und das ist auch ok, wenn der Space sein eigentliches Ziel erreicht: das Leben der Menschen, die hier zusammenkommen, zum Positiven zu verändern. Denn genau darum geht es den Gründer*innen von communitygetriebenen Spaces (in der Stadt wie auf dem Land übrigens). Nicht der Profit spornt sie an, sondern der Wunsch, ihr Umfeld mitzugestalten und maximal positiv auf das gesellschaftliche Miteinander einzuwirken. Dass Coworking das kann, dafür gibt es unzählige Beispiele. Um an diesen Punkt zu kommen, ist aber Unterstützung gefragt – von Kommunen, Banken, Verwaltung, Wirtschaftsförderung usw. Und zwar auch dann, wenn kein eingetragener Verein hinter dem Gründungsvorhaben steht, sondern eine GbR oder eine GmbH. Auch Impact getriebene Gründer*innen müssen Geld verdienen, wenn sie ihr Angebot langfristig aufrechterhalten wollen und nicht permanent am Tropf von Fördermittelgebern hängen wollen. Bis sie auf eigenen Beinen stehen und sich ihren Nutzer*innenstamm auf dem Land aufgebaut haben, vergehen schon mal bis zu zwei Jahre. Akteur*innen aus Politik und Wirtschaft, die es ernst meinen mit dem Strukturwandel und den gleichwertigen Lebensverhältnissen in der Stadt und auf dem Land, setzen sich mit den Gründer*innen an einen (Coworking-)Tisch und arbeiten auf Augenhöhe mit ihnen zusammen.