Coworking für Angestellte? – Unternehmen müssen nur wollen!
Vom Wollen.
Machen ist wie wollen – nur besser. Vor allem aber ist der Wille der Anfang von jeder Veränderung. Das gilt auch für Unternehmen. “Das geht ja alles gar nicht” und “Das haben wir schon immer so gemacht” entlocken mir mittlerweile nur noch ein Schulterzucken á la “Dann eben nicht”. Denn diese Menschen werde ich auch mit den aus meiner Sicht besten und nachvollziehbaren Argumenten (noch) nicht davon überzeugen können, dass die großen Umbrüche unserer Zeit es erforderlich machen, (Zusammen-)Arbeit neu zu denken. Man kann niemanden zwingen, etwas zu wollen.
Wer dagegen wirklich will, wer eine innere Haltung entwickelt hat, die es ihm oder ihr ermöglicht, sich von bekannten Denk- und Handlungsmustern zu lösen, der kann etwas verändern – zunächst im Kleinen und perspektivisch im Großen.
Wer will der kann:
- … vielleicht nicht sofort alles für alle verändern,
- … aber einen ersten Schritt gehen
- … und sich an Neues Arbeiten herantasten.
Vom Können.
Diese ersten Schritte, dieses Herantasten, das erfordert gar nicht zwangsläufig neue komplizierte Technologien oder das Über-Bord-Werfen aller bewährten Prozesse. Man muss selbst Coworking nicht einführen, nur weil es das jetzt gibt. Aber man könnte doch mal mit Neugier und Offenheit prüfen, ob sich diese Arbeitsform mit den Wünschen der Menschen in der Belegschaft deckt. Dafür braucht es einen offenen und vertrauensvollen Austausch und geschützte Räume, in denen Mitarbeitende sich trauen, Herausforderungen zu benennen. Das bedeutet im Zweifel auch: Manchmal ist eben besser, wenn der Chef oder die Chefin bei diesen Gesprächen nicht dabei ist, gerade in Unternehmen, die in der Vergangenheit sehr hierarchisch geprägt waren. Vertrauen und eine neue Kultur des Miteinanders müssen Unternehmenslenker*innen sich erarbeiten, indem sie vorangehen, sich selbst menschlich zeigen und auch eigene Hürden, Fehler und Ängste benennen. Damit schaffen sie den Rahmen, in dem ein offener Dialog mit den Mitarbeitenden entstehen kann, etwa zu diesen Themen:
- Wie angenehm gestaltet sich die Arbeit im Homeoffice? Wie ist die Wohnsituation?
- Wie ist die Familiensituation? Welche räumlichen, zeitlichen und ggf. emotionalen Herausforderungen gibt es (z.B. Schichtdienst, keine zwei Arbeitszimmer, zu pflegende Angehörige, fehlende Kinderbetreuung etc.)
- Wie ist der Internetzugang zu Hause? Welches Equipment wird benötigt?
- Wollen Mitarbeitende (zeitweise) zurück ins Firmenbüro? Wenn ja, zu welchen Zwecken?
- Welche Wünsche gibt es grundsätzlich in Bezug auf das Arbeitsumfeld?
Zugegeben: Diese Gespräche auf Augenhöhe führen zu können, setzt meist einen Kulturwandel voraus, der schon eine Weile in Gang ist. Unternehmen, die noch ganz am Anfang stehen, können für den Einstieg zunächst mit Daten und leicht zugänglichen Informationen arbeiten und daraus Erkenntnisse ableiten, wie es um das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der Menschen in der Organisation steht. Sie können z.B.
- … kumulierte Pendelwege und Krankenstände der Mitarbeitenden betrachten
- … die eigene Führungskultur reflektieren: Ist diese noch zeitgemäß?
- … sich mit den großen Trends auseinandersetzen, z.B.
- Digitalisierung
- Demografie / Fachkräftemangel
- The Great Resignation (seht euch hierzu gern den sehr lesenswerten Beitrag auf t3n an)
- Entkopplung von Firmensitz und Wohnort / Remote Work
- … sich informieren, welche Alternativen es zum Home Office rings um die Wohnorte der Mitarbeitenden gibt (z.B. Coworking Spaces)
- … sich zu Coworking und anderen neuen Arbeitsformen weiterbilden.
Vom Müssen.
Müssen ist ein Wort, das wohl die Wenigsten gern hören und das bei vielen Unternehmen direkt zu einer Abwehrhaltung á la “Gar nix muss ich!” führt. Und doch befinden wir uns in einer Zeit, in der “hätte, würde, könnte” nicht mehr ausreicht. Unternehmen müssen hier und heute
- … Verantwortung für andere Menschen und die Umwelt übernehmen,
- … wegkommen vom “das haben wir schon immer so gemacht” und sich auf Neues einlassen in einer sich rasend schnell wandelnden Welt,
- … Fachkräfte gewinnen und halten, wenn sie weiter bestehen wollen.
Und jetzt?
Heißt es loslaufen. Ein guter Anfang sind Pilotprojekte. Sie geben Unternehmen die Möglichkeit, mit überschaubarem Budget und bei geringer Fallhöhe neue Arbeitsweisen für einen bestimmten Zeitraum (meist zwischen sechs und 12 Monaten) auszuprobieren. Die “Versuchsgruppe” kann dabei einen Teil der Mitarbeitenden umfassen oder gleich die ganze Belegschaft, je nach Unternehmen, Branche und “Reifegrad” der Organisation im Hinblick auf ihre digitale (und hierbei vor allem kulturelle) Transformation.
Wie so ein Pilotvorhaben aussehen kann, hat im vergangenen Jahr bereits das Land Schleswig-Holstein gezeigt. Die rund 5.000 Mitarbeiter*innen der Ministerien konnten hier bei Bedarf Coworking Spaces im Land nutzen – vorfinanziert und abgesegnet vom Arbeitgeber.
Ein weiteres schönes Beispiel folgte erst kürzlich mit dem Unternehmen DATEV:
Also, liebe Unternehmen: Ihr habt nichts zu verlieren, außer eurer Angst. Oder wie die Band Wir sind Helden es einmal formulierte:
Wir können alles was zu eng ist mit dem Schlagbohrer weiten
Können glücklich sein und trotzdem Konzerne leiten
(…)
Wir müssen nur wollen.
Aus: Wir sind Helden: Müssen nur wollen