Raus aus dem (Home) Office: Die Vorteile von ländlichem Coworking für Unternehmen

Raus aus dem (Home) Office: Die Vorteile von ländlichem Coworking für Unternehmen

23. Februar 2022 0 Von Katja

Coworking galt lange als Arbeitsmodell für Selbstständige, maximal noch für Start-up-Teams, aber weniger für Unternehmen im „klassischen Sinne“, also Firmen wie den mittelständischen Maschinenbauer. Dieses Bild wandelt sich langsam. Langsam, aber doch spürbar – und angetrieben durch die Veränderungen, mit denen sich viele Unternehmen durch die Corona-Pandemie konfrontiert sehen. In den vergangenen zwei Jahren mussten auch die hartnäckigsten Digitalisierungsverweigerer sich mit der Frage beschäftigen, wie sie ihre Arbeit gestalten können, ohne dass ihre Mitarbeitenden jeden Tag zu festen Zeiten an einem festen Ort zusammenkommen. Für sie lohnt sich ein Blick auf die Vorteile von Coworking als drittem Ort, als einer räumlichen Möglichkeit neben Homeoffice und Firmenbüro.

Vielfältige Gründe für Coworking

Ich erinnere mich an eine Situation, die ich kurz nach der Gründung unseres Coworking Spaces erlebt habe. Eines unserer Mitglieder war zu diesem Zeitpunkt die Geschäftsführerin einer Kommunikationsagentur. Sie kam etwa ein- bis zwei Mal in der Woche zum Arbeiten zu uns in den Space. Nach den Gründen gefragt, antwortete sie, dass sie im Firmenbüro schlicht und einfach zu nichts kommt. Als Geschäftsführerin ist sie häufig gefragt. Menschen klopfen an, rufen an, haben Fragen und Belange, auch – so ihre Vermutung – weil sie eben vor Ort und schnell greifbar ist. An den Tagen, an denen sie nicht im Büro ist, weil sie bei uns im Coworking Space sitzt, kommen die Kolleg*innen wundersamerweise auch ganz gut ohne sie zurecht. Und sie genießt es in vollen Zügen, einfach mal in Ruhe ihre Arbeit machen zu können. 

Die Gründe, warum Menschen Coworking nutzen, sind vielfältig. Einige liegen auf der Hand, etwa der viel besprochene Wäscheberg zu Hause, der von der Arbeit ablenkt. Oder die kreative Umgebung, als die viele Menschen Coworking Spaces empfinden, und die sie daher aufsuchen, um sich inspirieren zu lassen und Aufgaben zu erledigen, die von ihnen erfordern, abseits bekannter Wege zu denken. Darüber hinaus gibt es besondere Services, die manche Firmen nur in Coworking Spaces finden, wie bestimmte Ausstattungselemente (z.B. 3D-Druck, Podcast-Studio, Green Screen,…) oder Dienstleistungen (z.B. flexible Kinderbetreuung, Zoom-Room, …). Und manchmal sind es ganz praktische Gründe, etwa das WLAN, das schneller und stabiler ist als im Firmenbüro oder zu Hause, oder einfach die Tatsache, dass der Coworking Space 15 Minuten Fahrtzeit erfordert, das Pendeln ins Firmenbüro aber eine Stunde dauert. 

Wohnort wichtiger als Arbeitsort

Der letztgenannte Punkt wird in Zukunft wahrscheinlich wichtiger werden. Denn die Corona-Pandemie und die damit verbundene Erkenntnis, dass sich viele Aufgaben auch wunderbar ortsunabhängig erledigen lassen, könnte die Kriterien, nach denen Menschen sich ihren räumlichen Lebensmittelpunkt aussuchen, nachhaltig verändern. Zog man in der Vergangenheit dorthin, wo der Arbeitsplatz war, ist es heute keine große Sache mehr, an der Ostsee zu wohnen und für eine Firma mit Sitz im Allgäu zu arbeiten. Diese Möglichkeiten gab es vorher natürlich auch. Aber die Pandemie-Situation hat die Verhandlungsbasis von (potentiellen) Mitarbeitenden deutlich gestärkt; für Arbeitgebende wird es zunehmend schwer, zu begründen, warum eine Mitarbeitende, die 12 oder 18 oder 24 Monate problemlos mobil arbeiten konnte, nun wieder zu einseitig festgelegten Zeiten ins Firmenbüro kommen soll. Zumal, wenn dadurch wertvolle Zeit verloren geht, das Stresslevel steigt, die Umwelt belastet wird und die Lebensqualität insgesamt leidet. Gerade Branchen, in denen Fachkräfte knapp sind, sollten sich trauen, ihre Arbeitsweisen zu überdenken und die ganze Bandbreite an Möglichkeiten ausloten, die es Menschen erlaubt, Erwerbsarbeit und andere Lebensbereiche weitestgehend nach ihre ganz individuellen Vorstellungen zu gestalten. Denn immer mehr Menschen sind nicht länger bereit, ihr Lebensumfeld rund um den Arbeitsplatz zu bauen. Sie fragen sich zuerst: Wo möchte ich leben? Wo sollen meine Kinder aufwachsen? Wo fühlen wir uns wohl? – Und suchen sich dann eine Arbeit, die ihnen genau das ermöglicht, ob diese nun im nächsten Ort ist oder am anderen Ende des Landes. 

Coworking schafft Chancengleichheit

Wie bei allen gesellschaftlichen Trends gibt es auch hier Vorreiter, Unternehmen also, die sehr schnell auf die Veränderungen reagiert haben. Einige haben bereits kurz nach Beginn der Pandemie das Ende der Präsenzpflicht ausgerufen. Vielerorts wurden und werden Büroflächen verkleinert, umfunktioniert oder gleich ganz aufgegeben. Homeoffice als einzige Alternative greift dabei aber zu kurz. Denn damit verkennen Unternehmen die Vielfalt an Wohn- und Familiensituationen ihrer Mitarbeitenden. Coworking-Orte leisten hier einen wichtigen Beitrag für den gleichberechtigten Zugang zu guten Arbeitsbedingungen, heißt unabhängig davon, ob sich eine Familie ein Haus mit zwei Arbeitszimmern leisten kann oder welches Partnerschafts-, Betreuungs- und Pflegemodell sie lebt. Damit Unternehmen dieses Angebot möglichst allen Mitarbeitenden zugänglich machen können, ist eine kritische Masse an Coworking Spaces nötig, eine „Perlenkette“ an Spaces auf dem Land, wobei die Perlen bestenfalls nie weiter als 20 Kilometer auseinanderliegen. An dem Punkt sind wir noch nicht, aber viele kreative Menschen arbeiten genau darauf hin. Unternehmen können sie unterstützen, indem sie schon jetzt als so genannte „Ankermieter“ in die bestehenden Spaces einziehen und so zum Funktionieren des Modells Coworking beitragen. Auch in ihrem eigenen Interesse.

Coworking kostet weniger

Nicht zuletzt tun sich Unternehmen auch finanziell einen Gefallen, wenn sie sich vom Firmenbüro als „heiliger Bastion“ des Arbeitens verabschieden. Nicole Sennewald, Gründerin des Coworking Spaces Krämerloft in Erfurt und CoWorkLand-Regionalverantwortliche für Thüringen, hat einmal die Kosten eines Arbeitsplatzes im Coworking Space mit denen eines Arbeitsplatzes im Firmenbüro gegenübergestellt. Das Ergebnis: Mit einem Coworking-Platz fahren Unternehmen sogar günstiger. Die Auswirkungen auf Mitarbeiterzufriedenheit und damit auf Motivation und Produktivität sind da noch nicht einmal eingerechnet. 

Es gibt also kaum noch Gründe für Unternehmen, Coworking nicht als Arbeitsmodell anzubieten. Für alle, die es ausprobieren möchten, bietet das anstehende Coworking-Festival, das vom 28.3. bis 3.4.2022 stattfindet, eine wunderbare Gelegenheit. 

Beitragsbild: CoWomen